Symbolbild Silvester Wunderkerze Foto: Nong V / Unsplash

Fru mok de Dör op: Woher stammt das Rummelpottlaufen?

Für die Liedtexte und das Update von 2023 bitte nach unten scrollen.

Silvesterbrauch in Norddeutschland

Wenn am frühen Silvesterabend bunte Gestalten von Haus zu Haus ziehen, dann sind das mit großer Wahrscheinlichkeit Menschen, die Rummelpott laufen. Sie singen traditionelle Lieder aus dem 19. Jahrhundert und hoffen dafür auf Gaben der Gastgeber. In ganz Norddeutschland gibt es diesen Brauch. Besonders verbreitet ist er aber in Schleswig-Holstein. 

Der „Rummelpott“ ist eigentlich ein Instrument: Eine Reibetrommel aus einem Topf, der mit einer Schweinsblase bezogen ist und in deren Mitte sich ein Rohrstock befindet. Heute sieht man diesen eigentlichen Rummelpott nur noch selten. 

Es wird oft erzählt, dass die Menschen mit den Geräuschen vom Rummelpott böse Geister vertreiben wollten. Mit irgendwelchen germanischen Riten hat der Brauch aber gar nichts zu tun. Eigentlich kommt er vom Sternsingen. Doch mit der Reformation hat es auch Verbote gegen diesen katholischen Brauch gegeben. Weil Sternsingen aber auch hieß, Nahrungsmittel zu bekommen, haben die Norddeutschen die Tradition nicht aufgegeben, sondern abgeändert.  

Heute laufen vor allem Kindergruppen von Tür zu Tür und hoffen auf Süßigkeiten und manchmal auch auf ein bisschen Geld. In manchen Gegenden, zum Beispiel in Flensburg und Husum, gehen aber auch Erwachsene Rummelpott laufen. Sie bekommen statt Süßem einen Schnaps. Manche haben dafür sogar ihr eigenes Glas dabei. Um es im Laufe des Abends nicht zu verlieren, binden sie es sich an einer Schnur um den Hals. 

Dieser Artikel und der Radiobeitrag oben entstanden 2004 ursprünglich für NDR Info.

Update 2023:

In den letzten beiden Jahren sind viele Menschen auf dieser Seite gelandet, die noch andere Infos gesucht haben, zum Beispiel den Text vom Rummelpottlied. Deshalb kommen hier ein paar Ergänzungen.

In welchen Regionen in Norddeutschand ist das Rummelpottlaufen bekannt und wo laufen heute noch Menschen Rummelpott?

Hamburg:

Ich selbst bin Anfang der 90er Jahre das erste Mal im Norden Hamburgs Rummelpottlaufen gewesen. In Farmsen und Berne waren damals viele Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit verrückter Kleidung unterwegs. Wir hatten keine Ahnung von einem Rummelpottlied und haben uns deshalb ein eigenes ausgedacht (wir waren alle Freundinnen aus einer Musikklasse, also kein Problem). Auch in Altona war der Brauch bis mindestens in die 80er Jahre verbreitet. Eine Freundin aus dem Viertel berichtet, dass sie als Kinder Lumpen oder Hexenkleider trugen, mit Töpfen und Kochlöffeln Krach machten und dazu lauthals „Rummel, rummel, roken, giv mi‘n Appelkoken“ sangen. Seit ich 2004 nach Altona gezogen bin, habe ich hier zu Silvester keine Rummelpottläufer mehr gesehen. In meiner eigenen Kindheit in Bergedorf im Südosten Hamburgs war Rummelpottlaufen kein Thema.

Schleswig-Holstein:

Deutlich verbreiteter als in Hamburg war und ist das Rummelpottlaufen in Schleswig-Holstein. Fast überall ist der Brauch bekannt, auf Föhr unter dem Namen „Kenknern“. Bis 2006 war ich in Flensburg und Husum mehrmals dabei. In Horsbüll in Nordfriesland gibt es in diesem Jahr sogar einen Rummelpott-Gottesdienst, zu dem man verkleidet erscheinen darf.

Doch in den letzten Jahren nimmt die Zahl der Rummelpottläufer immer weiter ab. Sogar Menschen aus Flensburg, das ich als absoluten Rummelpotthotspot kennenlernen durfte, tauschen sich heute in Foren zum Beispiel bei Facebook darüber aus, wo man denn überhaupt noch gut Rummelpott laufen gehen kann. Die Stadtbibliothek Flensburg bot in diesem Jahr zur Wiederbelebung ein Rummelpottbasteln an. Gleichzeitig versuchen einzelne eingefleischte Rummelpottfans aus Flensburg weiter, den Brauch selbst dann aufrecht zu erhalten, wenn sie in Regionen unterwegs sind, in denen er gänzlich unbekannt ist und ertragen stoisch die verwirrten Blicke der Einheimischen (Quelle: eigene Beobachtung und Erzählung einer Freundin aus Flensburg).

Konkurrenz durch Halloween und Wiederbelebungsversuche

Ob die schwindende Zahl der Rummelpottfans an Pausen in den Coronajahren oder an der Konkurrenz durch Halloween, das mindestens in Hamburg inzwischen fast alle Kinder feiern, liegt? In Husum konnte sich Halloween 2019 laut SHZ noch nicht gegen das beliebte Rummelpottlaufen durchsetzen. Und einer meiner Söhne beschwerte sich neulich über den Gruselkleidungszwang zu Halloween und wünschte sich „etwas wie Halloween, aber ohne gruselige Verkleidung, mit lustiger Verkleidung“. Ich klärte ihn darüber auf, dass ich genau das seit Jahren gern wieder mit ihm machen würde zu Silvester. Ich hoffe deshalb, endlich Gleichgesinnte für Wiederbelebungsversuche vom Rummelpottlaufen in Altona zu finden. Die gibt es in anderen Orten schon, zum Beispiel in Horst nordwestlich von Hamburg. Das Comeback des Brauches regte dort der Leiter des Ortsarchives an und fand Unterstützung durch eine Lehrerin. Auch die Kinder- und Jugendfeuerwehr Wasbek möchte die Tradition im Dorf bei Neumünster in diesem Jahr wieder aufleben lassen. Falls jemand in Jevenstedt im Kreis Rendsburg-Eckernförde Rummelpott laufen möchte: Die Menschen im Seniorenhaus Jevenstedt freuen sich über Besuch und haben Süßigkeiten parat. Die Begeisterung für die Silvestertradition brachte zwei Autoren aus Schleswig 2023 dazu, ein ganzes Buch über das Rummelpottlaufen zu schreiben.

Welche Rummelpottlieder werden gesungen?

Das bekannteste Rummelpottlied ist wahrscheinlich „Fru mok de Dör op“. Es wird unter anderem in Flensburg gesungen. Allerdings kennen die meisten Menschen heute nur noch die erste Strophe. Es gab meines Wissens noch ein paar mehr, wie ich meiner Erinnerung nach 2004 im Archiv den NDR hören konnte. Wenn ich die Strophen wiederfinde, ergänze ich sie. Der Liedtext „Rummel, rummel, roken, giv mi‘n Appelkoken“ in Altona wurde vermutlich auf die gleiche oder ähnliche Melodie gesungen. An der Westküste zum Beispiel in Husum ist „Rummel, rummel, ruttje“ bekannt.

Es folgen ein paar Liedtexte, ohne Garantie auf Richtigkeit, Vollständigkeit oder korrekte Rechtschreibung.

Liedtext von „Fru mok de Dör op“

Strophe 1

Fruu, mok de Döör op, de Rummelpott will rin
dor kummt een Schipp ut Holland,
de hett keen gooden Wind.
Schipper, wist du wieken,
Bootsmann, wist du strieken,
sett de Segel opp de Topp
un giff mi wat in´n Rummelpott.

Liedtext von „Rummel, rummel, ruttje“

Rummel, rummel, ruttje,
Kreg ik noch en Futtje?
Kreg ik een, blev ik stohn,
Kreg ik twee, will ik gohn.
Kreg ik dree, wünsch ik
Glück, dat de Husfru mit de
Futtjes ut de Schesteen flüch.
Dat ole Johr, dat nie Johr,
sind de Futtjes noch nicht gor,
pros Niejohr, pros Niejohr!

Liedtext von „Ich bin ein armer König“

„Ich bin ein armer König,
gib´ mir nicht zu wenig,
lass´ mich nicht zu lange steh´n,
denn ich muss noch weiter geh’n.“

Liedtext von „Rummel, rummel rögen“ (aus dem Schleswigschen um 1870)

„Rummel, rummel rögen, gif mi ’n beten in ’n Pöten,
lat mi ni to lang stahn, ik mutt noch ’n Hus wieder gahn.
Dat es för de Elerpenn, dat ist för dat Geldten.
Hebbt wi nix, denn jürkt uns de Finger ok nix.“

Liedtext von „Rummel, rummel, Fledermuus“

„Rummel, rummel, Fledermuus,

wokeen wahnt in düsse Huus!

Wahnt hier wohl een rieke Mann,

de unse Taschen füllen kann.

Lat uns nich so lang hier stahn,
wi wüllt noch een Hus wieder gahn!“

Liedtext von „Hau de Katt de Schwanz aff“

Dieses Lied soll zum Abschied gesungen werden, nachdem man etwas bekommen hat. Ich habe es nie gehört, aber das oben erwähnte neue Buch übers Rummelpottlaufen ist danach benannt.

„Hau de Katt de Schwanz aff,
hau em nich to lang aff,

lat en lüdden Stummel stahn,

dat de Katt kann wieder gahn.“


Liedtext von „Ik seh de Schosteen roken“

Auch dieses Lied soll gesungen werden, nachdem man etwas bekommen hat.

„Ik seh de Schosteen roken,

un all de Appelkoken

schwimmen in dat Fett.

Un sünd se´n beten kleen,

so gifft da twee för een;

un sünd se´n beten groot,
so hett dat ok keen Not.“

Liedtext von „Rummel Rummel Rusch“ in Blankenese/Dockenhuden

Quelle: Mein-altes.Hamburg

„Rummel Rummel Rusch,
Neejohr sitt’n Busch
Giff mi een lütjen Appelkoken oder ne lütje Wurscht!
Is de Wurscht to kleen, give me twee for een,
Is de Wurscht to groot, smeckt noch mal so gaud.

Een Hus wieder wohnt de Snieder,
Een Hus achter wohnt de Slachter,
Een hus voran
Wohnt de Wiehnachtsmann
Prost Neejohr!“

Liedtext von „Rummel, Rummel, Roken“

Früher gesungen in Altona und als zweites Lied in Blankenese/Dockenhuden (Quelle: Mein-altes.Hamburg)

„Rummel, Rummel, Roken,
giff mi’n Appelkooken,
loot mi nich to lange stohn,
denn ik mutt noch wieder gohn.
Een Hus wieder
wohnt de Snieder,
Een Hus achter
wohnt de Slachter,
Een Hus wiederan,
wohnt de Wiehnachtsmann.“

Liedtext von „Ol Johr, nej Johr“

Dieses Lied soll früher so in Elmshorn gesunden worden sein. Man erkennt, dass viele Lieder aus verschiedenen Orten ähnlich sind und nur leicht variieren oder wie eine Collage unterschiedlich zusammen gesetzt sind.

„Ol Johr, nej Johr

Mudder sin de Fötten gor

sin se gor,
giv me `n por.
Lot mi nich so long stohn

ik mut noch een Hus wider gohn

een Hus wider,
da wohnt de Snider

een Hus achter,
da wohnt de Schlachter,

een Hus achteran
da wohnt de Wiehnachtsmann.“

Liedtext von „Rummel rummel ragen“

(Trinkspruch, Quelle unbekannt)

„Rummel rummel ragen,

wir könn´ noch ein´ vertragen,

Bier, Schnaps, Wein und Sekt

wir haun uns einfach alles weg!“

Beitragsfoto ganz oben: Nong V / Unsplash

Leben

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